Die Barmherzigkeit von Wasser: Die Geschichte von Abu Ahmad - GOAL Global Skip to content

Die Barmherzigkeit von Wasser: Die Geschichte von Abu Ahmad

Wasser ist Leben

„Wasser ist unersetzlich,“ sagt Abu Ahmad*, ein Einwohner des Dorfes Kafr Hum in Idleb, Nordwestsyrien.

„Wenn ich Ihnen sage, dass ich mir um Wasser mehr Sorgen mache als um Brot, dann müssen Sie mir das glauben. Anstelle von Brot kann man auch Reis, Linsen oder Bulgur kochen. Aber wenn das Wasser fehlt, kann man nichts mehr machen,“ fährt er fort.

Der 59-jährige, der aus einer landwirtschaftlichen Familie kommt, hat eine tiefe Verbindung zu Wasser.

Abu Ahmad und seine Familie leben neben dem kleinen Wasserturm, der Kafr Hum mit sauberem Wasser versorgt.

„Der Wasserturm ist schon lange Zeit mein Lieblingsnachbar. Nur wenn ich sein sanftes Summen höre, kann ich bei Nacht schlafen. Für mich ist er mehr als nur ein Bauwerk aus Stein,“ erzählt Abu Ahmad.

Abu Ahmad ist der Haupternährer für seine Frau, ihre beiden Söhne und fünf Enkel sowie für die fünf Kinder seines Bruders, die im Jahr 2015 zu Waisen wurden, nachdem ihr Vater sein Leben im Kreuzfeuer des anhaltenden Konflikts in Syrien verloren hatte.

Ein syrischer Mann im Dorf Kafr Hum, Idleb, Nordwestsyrien, steht vor einem Wasserturm.
Abu Ahmad vor seinem Haus; im Hintergrund ist der wiederaufgebaute Wasserturm zu sehen.

Auch Kafr Hum war von den Erdbeben im Februar 2023 betroffen, die mehr als 10.000 Gebäude in Nordwestsyrien beschädigt haben. Während die Menschen die Katastrophe zum Glück größtenteils unbeschadet überstanden, wurde der Wasserturm des Dorfs beinahe vollständig zerstört.

Wenn das Wasser fehlt, kann man nichts mehr machen.

Erdbebenschäden

„Nach den Erdbeben konnte das Reservoir kein Wasser mehr halten und war nur noch von Schutt und Asche gefüllt,“ erklärt Abu Ahmad.

„Ich hatte große Angst davor, wie wir ohne fließendes Wasser überleben sollten,“ fährt er fort, ehe er hinzufügt:

„Uns ging es allen furchtbar schlecht, denn wir hatten unser Wasser verloren, unser kostbarstes Gut. Wie heißt es immer so schön - den wahren Wert einer Sache kennt man erst, wenn man sie verloren hat.“

Ohne Leitungswasser blieb den Einwohnern von Kafr Hum nichts anderes übrig als sich für Nahrung und Hygiene auf Wasser zu verlassen, das von gewerblichen Händlern in Lastwagen verteilt wurde.

„Ohne Wasser konnten wir unsere Häuser nicht sauber halten. Wir hatten vor so vielen Dingen Angst, insbesondere auch vor ansteckenden Krankheiten. Uns blieb keine andere Wahl als Wasser aus unbekannten Quellen zu nutzen,“ fährt Abu Ahmad fort.

Laut der UN hat in Syrien die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu Leitungswasser und ist darum auf Alternativen wie Wasser aus Lastwagen angewiesen, das von privaten Händlern verteilt wird.

Kinder gehen an einem restaurierten Wasserturm im Dorf Kaf Hum im Nordwesten Syriens vorbei.
Auf ihrem Schulweg laufen die Kinder aus Kafr Hum am wiederaufgebauten Wasserturm des Dorfes vorbei.

„War das Wasser von den Händlern steril? War es trinkbar? Wir hatten keine Zeit, uns darüber Gedanken zu machen. Nach dem Erdbeben war es für uns besonders wichtig, wieder Wasser zu bekommen,“ erinnert sich Abu Ahmad.

Wir haben unser Wasser verloren, unser kostbarstes Gut. Wie heißt es immer so schön - den wahren Wert einer Sache kennt man erst, wenn man sie verloren hat.

Aufgrund der Schäden durch die Erdbeben stieg die Nachfrage nach Lastwagen-Wasser, was zu Versorgungsengpässen führte und den Einwohnern von Kafr Hum noch zusätzliche Probleme bereitete.

„Mit wachsender Nachfrage glich es mehr und mehr einem Wunder, eine Wasserlieferung zu bekommen und die Preise stiegen täglich weiter an. Unsere Leiden nahmen kein Ende,“ erklärt Abu Ahmad.

Dann fügt er noch hinzu: „Wir benötigten alle fünf Tage eine Wiederauffüllung, aber die Händler konnten nie rechtzeitig liefern, da alle im Dorf Wasser benötigten. Wir waren unglaublich frustriert. Aber die Hoffnung kehrte zurück, nachdem die GOAL-Teams den Wasserturm unseres Dorfes wiederaufgebaut hatten.“

Eine syrische Familie wäscht sich in Idleb im Nordwesten Syriens die Hände mit kürzlich wiederhergestelltem Leitungswasser.
Um Ahmad, die Frau von Abu Ahmad, und sein Cousin helfen Nader (5), einem von Abu Ahmads Enkeln, beim Händewaschen.

Nach der Rückkehr des Wassers begann ich die Wasserstation des Dorfes ‚die Barmherzige‘ zu nennen, da sie den Durst der Menschen in unserem Dorf ohne Ausnahmen stillen kann.

Wiederaufbauarbeiten

Kafr Hum gehört zu den 12 Gemeinden in Nordwestsyrien, in denen GOAL mit Unterstützung durch die Europäische Union und andere großzügige Spender die im Februar 2023 durch Erdbeben zerstörten Wassertürme wieder aufbauen konnte.

„Die GOAL-Teams haben die Beschädigungen, die die Wasserversorgung unseres Dorfs aufgrund der Erdbeben erlitten hat, sehr schnell erfasst. Solange der Turm wiederaufgebaut wurde, haben sie uns täglich kostenlos durch Lastwagen mit sicherem, sauberem Wasser versorgt. Es war eine unglaubliche Erleichterung, nach der Katastrophe wieder Zugang zu sauberem Trinkwasser zu haben und kein Geld mehr für gewerbliches Wasser ausgeben zu müssen, das wir nun für Brot und Nahrung zur Verfügung hatten,“ fährt Abu Ahmad fort.

„Der glücklichste Moment für mich und meine Familie aber war es, als wir wieder Wasser aus dem Hahn fließen sahen, nachdem der Turm wiederaufgebaut war. Nach der Rückkehr des Wassers begann ich die Wasserstation des Dorfes ‚die Barmherzige‘ zu nennen, da sie den Durst der Menschen in unserem Dorf ohne Ausnahmen stillen kann.”

*Die Namen der Personen in dieser Geschichte wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.

GOAL in Syrien

Der seit über einem Jahrzehnt andauernde Konflikt hat mehr als 6,8 Millionen Syrer zu Binnenflüchtlingen gemacht. In Syrien sind 70% aller Menschen fürs tägliche Überleben auf humanitäre Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Seit Beginn der Auseinandersetzungen im Jahr 2012 haben die Teams von GOAL Hilfe vor Ort in Syrien geleistet. Im vergangenen Jahr konnten mit dem Nothilfeprogramm von GOAL mehr als 287.000 kürzlich vertriebene Menschen mit Lebensmitteln, Kochausrüstung und Finanzhilfen unterstützt werden. Nachdem die Techniker von GOAL die beschädigte

Wasserversorgungsinfrastruktur reparieren konnten, haben über 1,1 Million Menschen nun in ihrem Zuhause Zugang zu sauberem Trinkwasser. Weitere 430.000 Menschen in Nordwest-Syrien konnten von GOALs Bäckereiprogramm profitieren.

Einfluss in Zahlen

+1 Million

Zugang zu sauberem Wasser für mehr als 1 Million Menschen

+430.000

Tägliche Lieferung von Brot an mehr als 430.000 Menschen

2.1 Millionen

Menschen im Jahr 2022 unterstützt

2012

GOAL nimmt die Arbeit in Syrien auf

Kareems Geschichte

Das vergangene Jahrzehnt haben Kareem und seine Familie damit verbracht, auf der Suche nach Zuflucht durch das kriegszerrüttete Syrien zu ziehen. In der benachbarten Türkei fanden sie schließlich einen sicheren Hafen und die Möglichkeit, sich ein neues Leben aufzubauen.

Leider war diese Ruhepause nur von kurzer Dauer. Als im Februar ein verheerendes Erdbeben die Türkei erschütterte, musste die Familie erneut fliehen. Froh darüber, mit dem Leben davon gekommen zu sein, kehrte die Familie nach Nordwestsyrien zurück.

Im Zuge des wiederaufflammenden Konflikts wurde die Familie erneut entwurzelt. Aufgrund der zunehmenden Luftangriffe sahen sich Kareem und seine Familie dazu gezwungen, aus ihrem Zuhause in Sarmin zu fliehen.

 

Die Entscheidung fiel im nicht leicht, allerdings sah Kareem keinen anderen Ausweg: „Es gibt kein schlimmeres Gefühl der Hoffnungslosigkeit, als seine eigenen Kinder zitternd und verängstigt zu sehen.“

„Obwohl die Flucht gefährlich war, während um uns herum Bomben fielen, rief ich eines Abends, als der Beschuss etwas nachließ, meine Kinder zusammen und wir entkamen, ohne jemals zurückzublicken,“ sagt Kareem.

Kareem with his 2 sons and daughter at their new temporary home

Kareem mit seinem dreijährigen Sohn Azim, dem vierjährigen Ahmad und seiner fünfjährigen Tochter Yasmine.