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Das Erdbeben überleben: Rafiqs Geschichte

Unter den Eindrücken des verheerenden Erdbebens

Auch fast ein Jahr später sind die Menschen im Nordwesten Syriens noch immer von den verheerenden Erdbeben betroffen, die im Februar 2023 die südöstlichen Provinzen der Türkei sowie den Norden Syriens verwüstet haben. Eine Katastrophe, die mehr als 60.000 Menschen das Leben kostete und tausende Verletzte zurückließ.

Um sofort lebensrettende Hilfe anbieten zu können, waren Teams von GOAL vor Ort in der Türkei und in Syrien. In den darauffolgenden Monaten konnten GOALies mehr als 210.000 Menschen in Nordwestsyrien mit Bargeldhilfe unterstützen. Dies ermöglichte es den vertriebenen Familien Lebensmittel, Kleidung und Medikamente zu kaufen. Zu diesen vertriebenen Familien zählt auch die von Rafiq.

Glücklich, noch am Leben zu sein

„Über Nacht haben wir alles verloren,“ erzählt Rafiq*. „Unser bis in die Grundfesten erschüttertes Gebäude hatte strukturelle Schäden erlitten und in den Wänden unserer Wohnung waren Risse aufgetreten. Plötzlich fanden wir uns im Starkregen auf der Straße wieder. Alles um uns herum war am Einstürzen, aus allen Richtungen fiel Schutt vom Himmel. Die Welt schien unterzugehen. Wir wissen selbst nicht, wie wir es nach draußen geschafft haben,“ fährt er fort.

Wenngleich sein Leben in Trümmern liegt, schätzt Rafiq sich glücklich, überlebt zu haben. Das Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 riss am frühen Morgen des 6. Februars Millionen von Menschen in der Türkei und Syrien aus dem Schlaf. Während die Menschen noch nach Überlebenden suchten, folgte nur Stunden später ein tödliches Nachbeben mit einer Stärke von 7,6.

GOALie leistet nach den Erdbeben in Nordwestsyrien Soforthilfe.
GOALie leistet nach den Erdbeben in Nordwestsyrien Soforthilfe.

Die Schrecken, die wir an diesem Tag durchleben mussten, stellten alle Ängste, die wir aufgrund des Krieges und der ständigen Bombardierungen erfahren hatten, in den Schatten.

Rafiq in der zerstörten Wohnung seiner Familie, die nach den Erdbeben unbewohnbar ist.
Rafiq in der zerstörten Wohnung seiner Familie, die nach den Erdbeben unbewohnbar ist.

Rafiq, der 13 Jahre Krieg und Bombardierung hinter sich hat, kennt es nur zu gut, in den frühen Morgenstunden durch Erschütterungen aus dem Schlaf gerissen zu werden. Eine solche Angst wie bei dem katastrophalen Erdbeben hatte der 58 Jahre alte Vater von acht Kindern allerdings noch nie verspürt.

„Die Schrecken, die wir an jenem Tag durchleben mussten, stellten alle Ängste, die wir aufgrund des Krieges und der ständigen Bombardierungen erfahren hatten, in den Schatten,“ erzählt Rafiq.

Als die Beben schließlich nachließen, wurde Rafiq und seiner Familie das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe bewusst. Die Nachrichten waren voll von Meldungen über Tod und Zerstörung in ganz Idleb und Nord-Aleppo.

Tage voller Dunkelheit und Verzweiflung

„Wir waren davon ausgegangen, dass die Vertreibung im Zuge des Krieges, der unser Land heimgesucht hat, unsere größte Lebensherausforderung sein würde. Aber im Februar haben uns die zerstörerischen Erdbeben kalt erwischt und zu neuem und verstärktem Leid geführt,“ fährt Rafiq fort.

„Die Tage nach dem Beben waren die schwersten. Wir alle waren verzweifelt. Unter Schock und in Trauer um unsere verstorbenen Mitmenschen und unser zerstörtes Zuhause liefen wir durch die Straßen. Tage und Nächte haben wir unter den Olivenbäumen verbracht; wir lagen auf den kalten Zweigen, die weder unsere Einsamkeit lindern, noch unsere Körper wärmen konnten. Wilde Hunde streunten um uns herum. Es gab kaum Nahrung, kein sauberes Wasser zum Trinken und keinen Schutz,“ fügt Rafiq hinzu.

Nun leben Rafiq, seine Frau und drei ihrer Kinder in einem Zelt in der Nähe ihrer zerstörten Wohnung. Sie leben in ständiger Angst vor einem erneuten Nachbeben.

Dennoch sehen sie sich regelmäßig dazu gezwungen, in ihre zerstörte Wohnung zurückzukehren, um ihre Habseligkeiten zu bergen. Nur so können sie ihre Mahlzeiten zubereiten und sich während der kältesten Tage warmhalten. „In unserem eigenen Zuhause kommen wir uns wie ungebeten Gäste vor, die nur schnell ein- und ausgehen, um sich ein paar Dinge auszuleihen,“ erklärt Rafiq.

Rafiq mit seinen Töchtern Leila (10) und Yasemine (7) vor ihrem Zelt, in dem sie seit dem Erdbeben leben.
Rafiq mit seinen Töchtern Leila (10) und Yasemine (7) vor ihrem Zelt, in dem sie seit dem Erdbeben leben.

Aufgrund seiner beim Erdbeben erlittenen Verletzungen konnte Rafiq zudem keine Arbeit finden.

„Die psychologischen Nachwirkungen der Katastrophe spüren wir bis heute - die Schrecken haben sich bei mir, meiner Frau und meinen Kindern tief in unsere Herzen und Köpfe eingegraben. Dazu kommen natürlich noch die Auswirkungen auf unser Leben und unsere Lebensgrundlage,“ fährt Rafiq fort.

Ein Rettungsring für Familien

Unterstützt von der humanitären Hilfe der EU konnten die Teams von GOAL mehr als 43.000 Familien, die vom Erdbeben im Nordwesten Syriens betroffen sind, finanziell unter die Arme greifen. Dank unmittelbarer Bargeldunterstützung sind die Menschen dazu in der Lage, fürs Überleben dringend notwendige Lebensmittel, Kleidung und Medikamente zu kaufen. Vorrangig erhielten Haushalte wie der von Rafiq längerfristige Unterstützung, damit Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, bei der Bewältigung der immensen Herausforderungen, die das Leben in einem Zelt mit sich bringt, geholfen wird.

„Die Unterstützung von GOAL für Überlebende der Erdbeben hat uns enorm geholfen,“ erklärt Rafiq. Er fügt hinzu: „Mit dem Geld konnte ich Medikamente kaufen, die meine Frau und ich dringend benötigten. Zudem konnte ich das Defizit bei unseren täglichen Ausgaben ausgleichen.“

Die Unterstützung von GOAL für Überlebende der Erdbeben hat uns enorm geholfen. Mit dem Geld konnte ich Medikamente kaufen, die meine Frau und ich dringend benötigten.

Father and daughter sitting inside an apartment damaged by the Turkey-Syria earthquake.

Wenngleich Rafiq dankbar für die Unterstützung ist, so ist er dennoch ob der unsicheren Zukunft seiner Familie in Sorge. Er weiß nicht, wie sie überleben sollen, da seine Aussichten auf Arbeit stark eingeschränkt sind. „Das Ausmaß der Katastrophe, die wir durchlebt haben, die steigenden Marktpreise und die vielen ungedeckten Bedürfnisse in unserer Region erfordern diese fortwährende Unterstützung.“

*Die Namen der Personen in dieser Geschichte wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.

GOAL in Syrien

Der seit über einem Jahrzehnt andauernde Konflikt hat mehr als 6,8 Millionen Syrer zu Binnenflüchtlingen gemacht. In Syrien sind 70% aller Menschen fürs tägliche Überleben auf humanitäre Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Seit Beginn der Auseinandersetzungen im Jahr 2012 haben die Teams von GOAL Hilfe vor Ort in Syrien geleistet. Im vergangenen Jahr konnten mit dem Nothilfeprogramm von GOAL mehr als 287.000 kürzlich vertriebene Menschen mit Lebensmitteln, Kochausrüstung und Finanzhilfen unterstützt werden. Nachdem die Techniker von GOAL die beschädigte

Wasserversorgungsinfrastruktur reparieren konnten, haben über 1,1 Million Menschen nun in ihrem Zuhause Zugang zu sauberem Trinkwasser. Weitere 430.000 Menschen in Nordwest-Syrien konnten von GOALs Bäckereiprogramm profitieren.

Einfluss in Zahlen

+1 Million

Zugang zu sauberem Wasser für mehr als 1 Million Menschen

+430.000

Tägliche Lieferung von Brot an mehr als 430.000 Menschen

2.1 Millionen

Menschen im Jahr 2022 unterstützt

2012

GOAL nimmt die Arbeit in Syrien auf

Kareems Geschichte

Das vergangene Jahrzehnt haben Kareem und seine Familie damit verbracht, auf der Suche nach Zuflucht durch das kriegszerrüttete Syrien zu ziehen. In der benachbarten Türkei fanden sie schließlich einen sicheren Hafen und die Möglichkeit, sich ein neues Leben aufzubauen.

Leider war diese Ruhepause nur von kurzer Dauer. Als im Februar ein verheerendes Erdbeben die Türkei erschütterte, musste die Familie erneut fliehen. Froh darüber, mit dem Leben davon gekommen zu sein, kehrte die Familie nach Nordwestsyrien zurück.

Im Zuge des wiederaufflammenden Konflikts wurde die Familie erneut entwurzelt. Aufgrund der zunehmenden Luftangriffe sahen sich Kareem und seine Familie dazu gezwungen, aus ihrem Zuhause in Sarmin zu fliehen.

 

Die Entscheidung fiel im nicht leicht, allerdings sah Kareem keinen anderen Ausweg: „Es gibt kein schlimmeres Gefühl der Hoffnungslosigkeit, als seine eigenen Kinder zitternd und verängstigt zu sehen.“

„Obwohl die Flucht gefährlich war, während um uns herum Bomben fielen, rief ich eines Abends, als der Beschuss etwas nachließ, meine Kinder zusammen und wir entkamen, ohne jemals zurückzublicken,“ sagt Kareem.

Kareem with his 2 sons and daughter at their new temporary home

Kareem mit seinem dreijährigen Sohn Azim, dem vierjährigen Ahmad und seiner fünfjährigen Tochter Yasmine.